Qigong üben

Qigong üben – Mach ich das so richtig?

Zuhause Qigong üben ist am Anfang gar nicht so einfach. Da war doch diese tolle Übung, aber wie ging die denn gleich nochmal? Zeigt die Handfläche nach oben oder doch zur Seite? Und wie war das nochmal mit dem Stand? Wenn wir mit Qigong beginnen und auch mal alleine zuhause üben, sind wir oft unsicher, ob wir auch ‚richtig‘ üben.

Ist es daher besser gar nicht alleine zu üben, bevor wir uns etwas falsches angewöhnen? Was passiert, wenn wir eine Übung ‚falsch‘ machen? Woran erkennen wir überhaupt, ob wir richtig üben? Natürlich habe ich mir diese Fragen auch gestellt, als ich vor ein paar Jahren mit Qigong begonnen habe. Auch in der Ausbildung zur Qigong-Kursleiterin kamen diese Fragen bei den Teilnehmenden immer wieder auf.

Mittlerweile sehe ich das so:

  • Wenn wir selbst Qigong üben, setzen wir uns tiefer mit den Übungen auseinander und verstehen nach und nach mehr die Struktur und den Hintergrund der Übungen. Haben wir schon einmal versucht, eine Übung selbst ‚hinzubekommen‘ können wir die Anleitungen im Kurs besser einordnen und nachvollziehen.
  • Solange wir mit unserer Aufmerksamkeit beim Körper bleiben, besteht keine wirkliche Gefahr, dass wir uns schaden, selbst wenn die Ausführung nicht ganz ‚richtig‘ ist. Wenn wir die Übungen langsam und bewusst ausführen, bemerken wir, wenn sich eine Bewegung nicht gut anfühlt. Dann können wir ’nachjustieren‘ oder in der nächsten Kursstunde nachfragen, wie wir eine Fehlbelastung vermeiden können.

Die 6 Schlüsselpunkte des Qigong Yangsheng

Eine sehr gute Orientierung beim Qigong üben sind darüber hinaus die 6 Schlüsselpunkte von Prof. Jiao Guorui, dem Begründer des Qigong Yangsheng. Die 6 Schlüsselpunkte beschreiben die Grundprinzipien beim Qigong-Üben. Sie gelten zwar in erster Linie für die Stilrichtung Qigong Yangsheng, sind aus meiner Sicht aber generell hilfreich für unsere Übungspraxis.

Und das sind die 6 Schlüsselpunkte:

Entspannung, Ruhe, Natürlichkeit

Vorstellungskraft und Qi folgen einander

Bewegung und Ruhe gehören zusammen

Oben „leicht“- unten „fest“

Das richtige Maß

Schritt für Schritt üben

Prof. Jiao Guorui, Die 15 Ausdrucksformen des Taiji Qigong, S. 18

Entspannung, Ruhe, Natürlichkeit

Entspannung: Wenn wir Qigong üben, versuchen wir zu entspannen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir passiv sind. Vielmehr spüren wir in unseren Körper und versuchen, in jedem Moment die richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. Gelingt das, fühlen wir uns locker, entspannt und voller Energie.

Ruhe: Beim Qigong richten wir unseren Geist ganz auf die Übung – auf die Ausführung der Bewegung, die Wahrnehmung der Atmung und auf die zur Übung gehörenden Vorstellungsbilder, wie z. B. die Wolken teilen, den Mond halten usw. Das heißt, wir ersetzen unsere zahlreichen Alltagsgedanken durch einige wenige Gedanken oder wie es im Qigong so schön heißt: „Die 10.000 Gedanken durch einen ersetzen“. Das entlastet unseren Geist und er kommt langsam zur Ruhe.

Natürlichkeit: Wir berücksichtigen beim Qigong Üben stets unsere individuellen Voraussetzungen und Gegebenheiten. Wenn wir z. B. noch nicht so viel Kraft in den Oberschenkeln haben, führen wir manche Stände eben nicht so tief aus. Wenn wir Probleme mit dem Rücken haben, beugen wir den Oberkörper z. B. nur soweit, wie wir das gut kontrollieren können. Außerdem achten wir darauf, dass wir uns nicht verausgaben oder erschöpfen. Dadurch erreichen wir, dass sich die Übungen natürlich anfühlen.

Vorstellungskraft und Qi folgen einander

Im Qigong gehen wir davon aus, dass die Vorstellungskraft physiologische Prozesse im Körper beeinflussen kann. Das klingt vielleicht erst einmal esoterisch, aber wir haben das alle schon erlebt: Wenn wir z. B. an ein leckeres Essen denken, läuft uns schon bei dem bloßen Gedanken das Wasser im Mund zusammen. Wenn wir an eine bevorstehende Prüfung denken, erhöht sich unser Pulsschlag, usw.

Im Qigong verwenden wir meist Vorstellungsbilder aus der Natur, z. B. Wolken, Bäume, Sonne, Mond usw., die angenehme Gefühle auslösen. Diese Vorstellungsbilder können bewirken, dass wir den Energiefluss im Körper – das Qi – besser spüren. Wir spüren das Qi z. B. in Form von Wärme, Kribbeln oder einem Gefühl von Flow. Diese Empfindungen sind meist sehr angenehm und zeigen uns, dass unsere Übungspraxis Wirkung hat. Wir sollten sie jedoch nicht überbewerten und auch keinen Erwartungsdruck aufbauen. Wenn wir das Qi spüren, üben wir einfach ruhig und gelassen weitern. Wenn wir das Qi nicht spüren, gilt dasselbe: wir üben einfach ruhig und gelassen weiter 🙂

Bewegung und Ruhe gehören zusammen

Im Qigong gibt es Übungen, die ihren Schwerpunkt auf der Bewegung haben (Donggong) und Übungen, bei denen es weniger um die äußere Bewegung als um die innere Ruhe geht (Jingong). In beiden Arten von Übungen versuchen wir, die Aspekte Bewegung und Ruhe miteinander zu verbinden:

  • Bei Übungen in Bewegung versuchen wir, innerlich zur Ruhe zu kommen.
  • Bei Übungen in Stille richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die innere Bewegung des Qi.

Die innere und äußere Bewegung helfen, den Fluss des Qi zu harmonisieren. Nach der chinesischen Gesundheitslehre (Traditionelle Chinesische Medizin, TCM) ist dies eine Voraussetzung für die Gesunderhaltung des Körpers.

Oben „leicht“- unten „fest“

Beim Qigong Üben suchen wir einen harmonischen Ausgleich von Stabilität und Leichtigkeit. Von den Füßen bis auf Nabelhöhe streben wir ein Gefühl von Verwurzelung und Erdung an. Vom Nabel aufwärts entwickeln wir ein Gefühl von Leichtigkeit. So können wir uns gleichzeitig fest verwurzelt und frei und leicht fühlen.

Das richtige Maß

Die Wirkung des Übens ist dann am Besten, wenn wir gewissenhaft üben, uns jedoch nicht überanstrengen. Oft ist das gar nicht so einfach. Wir sind eher gewohnt, uns anzustrengen, um etwas zu erreichen. Das kann dann dazu führen, dass wir uns anstrengen zu entspannen! Und das funktioniert nicht wirklich gut …

Nicht die teuerste Medizin ist die beste Medizin, sondern die richtige. Ebenso ist nicht härteste oder spektakulärste Übung die beste, sondern die, die den individuellen Bedingungen gemäß ist.

Prof. Jia Guorui, Die 15 Audrucksformen des Taiji Qigong, S. 27

Daher achten wir darauf, dass wir bei allen Aspekten des Übens das richtige Maß finden:

  • Bei Körperhaltung und Bewegung achten wir auf unsere individuelle Leistungsfähigkeit und gehen z. B. nicht zu tief in den Pferdschritt, halten Standhaltungen nicht zu lange usw.
  • Wir wählen die Übungsdauer so, dass wir nie völlig erschöpft sind oder die Freude am Qigong verlieren.
  • Wir achten auf die Vorstellungskraft, lassen sie aber nicht zu konkret oder betont werden.
  • Wir lassen die Atmung frei fließen, ohne sie zu kontrollieren. Mit zunehmender Übungspraxis stellt sich die tiefe Bauchatmung als natürliche Atmung ein, Atmung und Bewegung wirken harmonisch zusammen.

Schritt für Schritt üben

Wenn wir mit Qigong beginnen, gehen wir Schritt für Schritt vor. Wir lernen erst die Grundzüge der äußeren Form und können dann langsam die Details der Ausführung verfeinern. Wichtiger als schneller ‚Fortschritt‘ ist beharrliches Üben.

Auf die Dauer ist das langsame Schreiten schneller als das ungeduldige und hastige Gehen.

Prof. Jiao Guorui, Die 15 Ausdrucksformen des Taiji Qigong, S. 28

Was sind Deine Erfahrungen?

Wie übst Du Qigong? Sind die 6 Schlüsselpunkte hilfreich für Dich? Ich freue mich auf Eure Kommentare 🙂

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4 Comments

  1. Liebe Andrea, sehr inspirierend, dein Artikel. Da bekomme ich gleich Lust zu üben. Und das Bild mit dem festen Stand und der Leichtigkeit werde ich sicher bei der nächsten Stunde ausprobieren!

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